Neue Studie von Strada und der WHU – Otto Beisheim School of Management – bringt Licht ins Dunkel
Eine Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management – aus dem Jahr 2019 hat sieben Faktoren isolieren können, die aufzeigen, wie aus Technologie Produktivität wird. Die meisten dieser Faktoren sind zwischen General Management und Unternehmenskultur anzusiedeln und haben damit auch Einfluss auf HR-Prozesse. Laut der Studie leistet die Nutzung von HR Analytics, also der datengestützten Entscheidungsfindung („data-driven decision making“), im Personalwesen den höchsten Wirkungsbeitrag auf die Produktivität von Unternehmen. Eine neue Studie von Strada und WHU greift dieses Ergebnis zum Thema HR-Technologie erneut auf und nimmt es genauer unter die Lupe.
Im September 2022 befragten Strada und WHU 600 Fachleute in ganz Europa aus den Bereichen HR, IT und konkret auch HR-IT auf verschiedenen Organisationsebenen in der Studie „The State of Data: Unleashing the Potential of HR Analytics“. Obwohl die neuen Studienergebnisse den Mehrwert von HR Analytics auf die Unternehmensproduktivität bestätigen, konnte gleichzeitig eine Lücke zwischen dem wahrgenommenen Wert und der tatsächlichen datengestützten Nutzung von HR Analytics festgestellt werden.
Ein entscheidender Faktor, ob und in welchem Maße ein Unternehmen tatsächlich einen Nutzen aus HR-Tools und Analytics-Skills zieht, ist laut der Studie der sogenannte Reifegrad der Nutzung von HR-Technologie in einer Organisation, der in drei Maturitätsstufen (niedrig, mittel, hoch) eingeteilt wurde. Außerdem untersucht die Studie die zentralen Hindernisse, die die Umsetzung von datengestützten Entscheidungen in HR-Prozessen von Unternehmen erschweren.
Pluspunkte einer datengestützten Unternehmenskultur
Die neuen Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung datengestützter Entscheidungsfindung für die Verbesserung der Produktivität in Unternehmen. Die Einführung eines datengesteuerten Ansatzes ermöglicht es HR-Fachleuten, tiefere Einblicke in ihre Belegschaft zu gewinnen, die Geschäftsergebnisse zu verbessern und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, bzw. einen Wettbewerbsnachteil wie den Abgang von wichtigen Wissensträgern zu vermeiden bzw. vorzubeugen.
Ein signifikanter Prozentsatz der Befragten ist der Meinung, dass HR-Technologie bzw. HR Analytics zu positiven Geschäftsergebnissen beitragen können. Dazu gehören höhere Präzision/Neutralität dank datengestützter Entscheidungsfindung, bessere Personalplanung und/oder eine verbesserte Talentakquisition. Außerdem können Daten die Leistungsbewertung objektivieren und dadurch deren Akzeptanz erhöhen. Personalentscheidungen werden dank HR-IT auf ein stärkeres Fundament gestellt.
Kurzum, der potenzielle Nutzen von HR Analytics wurde vollumfänglich und an mehreren Stellen durch die neue Studie bestätigt. Zudem wissen wir aus Vorgängerstudien, dass „data-driven HR“ einer der Faktoren ist, der den positivsten Einfluss auf die Produktivitätssteigerung hat. Es bleibt also die Frage, warum wir uns mit der Umsetzung dieser smarten HR-Prozesse so schwertun.
Der aktuelle „Stand der Daten“
Obwohl Unternehmen den Wert von HR-Technologie und dessen Analytics-Skills anerkennen, wenden nur wenige eine datengestützte Entscheidungsfindung in der Praxis an. Je höher der „Reifegrad“ der Organisation bei der Nutzung von HR Analytics, desto stärker der Fokus auf die Entwicklung und Implementierung spezifischer datengestützter bzw. -gesteuerter Funktionen in ihren HR-Prozessen. Ausgangspunkt der Studie war es, nach den Elementen zu suchen, die es der Organisation ermöglicht, langfristig performant und gegebenenfalls sogar performanter als der Wettbewerb zu sein. Die Studie zielt auf relative Wettbewerbsstärke ab, nicht auf die Schaffung eines perfekten (HR) Sub-Prozesses.
Typischerweise findet man in der Literatur Optimierungsvorschläge zu Teilprozessen mittels HR-IT wie (strategische) Personalplanung, Talent-Management-Optimierung, Talentakquisition („hire attitude over skills“), Objektivierung der Messung von Arbeitsergebnissen (Performance Evaluation) und der sich daraus ableitenden Maßnahmen. Die Optimierung eines Einzelprozesses durch HR-Technologie ist per se nicht falsch, wir haben aber in unserer Studie die Betrachtung breiter angelegt und die Frage nach nachhaltiger Unternehmensstärke als Ausgangspunkt gewählt.
Die Studie hat die Nutzung von HR Analytics in einzelnen HR-Prozessen/Anwendungsfällen untersucht, und herausgefunden, dass selbst Unternehmen mit der höchsten organisatorischen Reife nicht alle Vorteile komplexer HR Analytics-Skills bzw. -Anwendungen nutzen.
Hierzu wurden HR-Analytics in mehrere Komplexitätsgrade unterteilt. „Wenig komplex“ haben wir beschreibende („descriptive“) Modelle benannt. Gefolgt von vorhersagenden („forecasting“) Modellen und entscheidungsfindenden („predictive“) Modellen. Die Studie zeigt, dass sowohl Organisationen mit einem niedrigeren als auch mittleren Reifegrad kaum einen Nutzen aus HR Analytics ziehen. Lediglich „mature organizations“, die begonnen haben, sich dem Thema ernsthaft zu widmen, können einen guten Produktivitätsnutzen aus der HR-IT ziehen.
Handlungsempfehlungen für die effektive Nutzung von HR Analytics
Aus den Studienergebnissen lassen sich Maßnahmen ableiten, die Unternehmen verschiedener Analytics-Grade helfen, einen größeren Nutzen aus dem Einsatz von HR-Tools zu ziehen.
1. Investieren Sie in die nötige Basis Ihrer HR-Technologie
Die größten Unterschiede zeigen sich aktuell noch in eher präskriptiven (einfachen) HR-Analytics-Ansätzen. Geringer, aber dennoch merklich, waren die Unterschiede in komplexeren Anwendungen. Organisationen geringerer und mittlerer Maturität müssen also aufpassen, dass sie den Anschluss in Sachen HR-IT nicht verpassen. Sie hinken heute schon hinterher.
Auch bemerkenswert erschien uns der Umstand, dass Unternehmen die eigenen Analytics-Skills häufig zu hoch einschätzen, aber gleichzeitig nach Spezialisten für HR Analytics suchen. Aufgrund der Bedeutung dieses Faktors halten wir es für unumgänglich, dass sich das durchschnittliche Wissen rund um Datenarchitekturen und -modelle als auch Basisfähigkeiten wie Mathematik und Statistik in den HR-Abteilungen stärker verbreiten müssen. Datenqualität und insbesondere das Misstrauen hierin, müssen gemanagt werden. Hierzu ist jedoch ein grundlegendes Basisverständnis für HR-Prozesse und HR-IT nötig.
2. Beseitigen Sie Hürden für ein zielgerichtetes Datenmanagement
Trotz aller Erkenntnisse verlassen sich Manager momentan noch häufig auf subjektive (humane) Entscheidungsfindung und konventionelle Managementansätze, statt sich auf potenziell gewinnbringende Ergebnisse aus Datenanalysen zu stützen.
Eine der größten Hürden auf dem Weg zu mehr Akzeptanz von HR Analytics ist, dass ein grundsätzliches Unverständnis der HR-Technologie und moderate schlechte Datenqualität dazu führen, dass doch lieber auf persönliche subjektive Einschätzungen zurückgegriffen wird. Nicht ausreichende HR-Analytics-Fähigkeiten schüren das wenige Vertrauen in die datengestützten Ergebnisse. Und der Teufelskreis beginnt von vorne.
Es braucht also beides: Vertrauen in die Datenbasis, die HR-Tools und die HR-Technologie sowie die nötige Offenheit, die Ergebnisse auf den Prüfstand zu stellen. Wenn dieser Schritt getan ist, braucht es in der Folge aber auch die Konsequenz, auf die datengestützten Ergebnisse zu vertrauen und diese nicht durch subjektive menschliche Einschätzungen zu „überstimmen“.
3. Entwickeln Sie eine Managementkultur mit stärkeren Bottom-up-Elementen
HR Analytics ist jedoch auch nicht das berühmte Allheilmittel. Je nach Ausprägung der o. g. Punkte ergibt sich ein sehr unterschiedliches Bild. Hier muss Führung ansetzen: sowohl in der Schaffung der nötigen Investments in HR-Technologie als auch in die Betonung einer integrativen Führung, die auch unbequeme Analyse-Ergebnisse der HR-IT verdauen kann.
Aber genauso wichtig ist es, sich der Grenzen und der Widersprüche bewusst zu sein, die gar nicht so offensichtlich sind.
Bei den Probanden der Studie war der Ruf nach mehr Neutralität im Bereich der Performance-Einschätzung mittels HR-Technologie sehr ausgeprägt. Insbesondere versprach man sich von der Anwendung von HR Analytics in diesem Thema mehr Fairness. Das sind aber per Definition zwei sich widersprechende Konzepte: Analyse ist rein mathematisch/absolut, Fairness ist ein vergleichendes Konzept und bedarf (menschlicher) Einschätzung/Subjektivität. Wir kommen in den komplexeren Anwendungsfällen in HR daher schnell an ähnliche Grenzen wie in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz: Es mag schnell etwas außerhalb unserer Wirkungskontrolle entstehen, was uns im Ergebnis eventuell gar nicht gefällt.
Um die nötige Akzeptanz diesbezüglich nicht zu gefährden, bedarf es eines kritischen Abstands zum Konzept „data-driven decision making in HR“.
Es gilt auch hier der alte Satz: „A fool with a tool remains a fool.” (dt.: Ein Narr mit einem Werkzeug ist immer noch ein Narr).
4. Akzeptieren Sie die Grenzen von HR Analytics
Insbesondere wenn wir den deskriptiven Bereich verlassen und uns „prediction“ und Entscheidungsunterstützung widmen, wird deutlich, dass wir erst dann die menschliche Kontrolle, die Einschätzung und Beurteilung abgeben dürfen, wenn wir uns der Korrektheit der Ergebnisse sicher sind. Und das ist derzeit noch ein weites Feld.
Richtiger ist es daher, HR Analytics als weiteren, sehr nutzbringenden Messpunkt mit starkem Effekt auf die Produktivität zu interpretieren. Und mit steigender Produktivität und relativer Wettbewerbsstärke, entsteht auch ein fruchtbarer Boden für HR-Konzepte.
Erfolgsfaktoren für die effektive Nutzung von HR-Technologie
Damit Unternehmen HR Analytics erfolgreich nutzen können, sind einige Erfolgsfaktoren zu beachten. Zunächst ist es wichtig, eine datengestützte Unternehmenskultur zu fördern, in der Datenanalysen als wertvolles Instrument für Entscheidungsfindungen angesehen werden. Investitionen zur Verfeinerung der Integrationsprozesse von HR-IT sind vonnöten, um die Leistung in Bereichen wie Mitarbeitererfahrung, Datenanalyse und HR-Entscheidungsfindung zu optimieren.
Unternehmen müssen sich darum bemühen, alle Mitarbeiter zur Einbeziehung von Daten in ihre Entscheidungsprozesse zu ermutigen. Dazu gehört die Entwicklung der erforderlichen Fähigkeiten, insbesondere in den Bereichen Datenmanagement, Datenanalyse, Datenvisualisierung und Datenzusammenarbeit, bzw. eine zielgerichtete Beratung der Mitarbeiter durch Fachleute. Unternehmen müssen zudem eine neue Kultur entwickeln, die sich auch mit unbequemen Ergebnissen auseinandersetzen kann.
Denn die Studienerkenntnisse sprechen eine klare Sprache:
In der schnelllebigen digitalen Welt von heute sind HR Analytics nicht mehr optional. Sie sind unerlässlich für Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Personalverantwortliche müssen sich anpassen und neue Fähigkeiten und HR-Technologien erlernen, um ihren Wert zu steigern, indem sie datengestützte Erkenntnisse für die Ziele und die Strategie eines Unternehmens nutzen.